Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Unfaire Konkurrenz am Arbeitsmarkt

Die Preise für gleichwertige Güter sind in der Schweiz durchschnittlich 10-20% höher als in den Nachbarländern. Die Löhne für gleichwertige Arbeitsleistungen sind durchschnittlich 20 – 30% höher.

Hauptursache ist die massive Aufwertung des Schweizer Frankens ab 2008 bis 2011. Der Vergleich des kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-BIP der Schweiz mit dem kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-BIP der Nachbarländer zeigt, dass das Ausmass der Aufwertung keine realwirtschaftliche Grundlage hat. Die Folge sind grosse Verzerrungen in den grenzüberschreitenden Arbeits- und Gütermärkten. Die Preissignale laufen offensichtlich falsch.

Ursache der Aufwertung sind die riesigen globalen Kapitalströme, die durch die Schweiz fliessen. Sie beeinflussen massiv die Währung, ohne jeden Bezug zur Realwirtschaft. Die Anbindung des Franken an den Euro durch die Nationalbank am 6. September 2011 kam sehr spät und auf einem viel zu tiefen Niveau. Die Verzerrung im Verhältnis zu den Nachbarländern wurde mit dem Kurs von CHF 1.20 betoniert.

Es braucht viele Jahre Preis- und Lohnerhöhungen in den Nachbarländern und stagnierende Preise und Löhne in der Schweiz bis die im Binnenmarkt notwendige Balance grenzüberschreitend erreicht ist. Schmerzhafte Anpassungsjahre für die Schweizer Bevölkerung.

Zeitlich fiel die rasante Frankenaufwertung mit der Öffnung des schweizerischen Arbeitsmarkts zusammen. Ab 1. Juni 2007 erlangte der freie Personenverkehr für Staatsangehörige der EU15 volle Geltung.

Die Überbewertung des Schweizer Frankens war und ist Hauptmotor der Zuwanderung. Die hohen Löhne sind enorm attraktiv. Dazu kommt die den Zuwanderern sehr bewusste Möglichkeit, Konsumausgaben in den massiv günstigeren Nachbarländern zu tätigen.

Gut qualifizierte Zuwanderer sind daher bereit, Abstriche von den Lohnforderungen und anderen Konditionen zu machen. Abstriche, die Schweizer nicht zumutbar finden. Dieser Personenkreis macht mehr als 2/3 der EU-Zuwanderung aus. Er konkurriert den schweizerischen Mittelstand.

Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung findet, der Schweizer Arbeitsmarkt habe die Zuwanderung sehr gut aufgenommen. Die einheimische Erwerbsbevölkerung sei der neuen Konkurrenz gut gewachsen.

Weite Teile des schweizerischen Mittelstandes sehen das anders. Sie empfinden die neue Konkurrenz am Arbeitsmarkt zunehmend als unfair. Dabei sind nicht tatsächliche Entlassungen relevant. Ausschlaggebend ist die subjektive Wahrnehmung aufgrund der Neuanstellungen im eigenen Betrieb. Diese nähren permanent die Angst um den eigenen Job.

Wegen der Überbewertung des Schweizer Frankens ist die Konkurrenz am Arbeitsmarkt tatsächlich unfair. Solange diese andauert, werden die Abwehrreflexe vor allem im gut qualifizierten Mittelstand zunehmen. Die Dauerberieselung durch Wirtschaft und Politik, man sei auf die Arbeitsmarktkonkurrenten aus der EU angewiesen, verschärft bei den Betroffenen die Abwehrhaltung.

Die Wirtschaft hat durchaus ein Interesse an der Überbewertung, stärkt sie doch enorm die Einkaufsmacht auf den benachbarten Arbeitsmärkten. Das gilt vor allem für die personalintensiven Sektoren. Ein extremes Beispiel ist das Tessin.

Dass das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen eine Vorreiterrolle spielt und auf die Gefühlslage des Schweizer Mittelstandes keine Rücksicht nimmt, trägt wenig zum Abbau der Ängste bei.

Die Finanzwirtschaft ist direkt an der Überbewertung interessiert und fordert deren Ausbau, weil sich dann Masse und Umschlagsgeschwindigkeit der globalen Finanzströme durch die Schweiz erhöhen, mit den entsprechend positiven Folgen für Provisionen und Bonusse.

Der Binnenwirtschaft gelingt es mit Hilfe der Politik, den Preisdruck für konkurrenzierende Güter aus dem EU-Raum zu einem schönen Teil abzuwenden und nur den Vorteil aus der Lohnkonkurrenz zu ziehen. Importmonopole und –kartelle werden toleriert und administrativ und steuerlich gestützt. Übersetzte bürokratische Preismonopole werden gesetzlich verankert: so bei Nahrungsmitteln und Medikamenten. Der Schweizer Mittelstand ist nicht nur an der Lohnfront, sondern auch an der Preisfront negativ tangiert: die Öffnung des Arbeitsmarkt mit Lohnkonkurrenz erfolgte schnell, die Öffnung der Gütermärkte mit Preiskonkurrenz wird gleichzeitig nach Kräften behindert.

Die Exportwirtschaft ist nicht an der Überbewertung des Frankens interessiert – im Gegenteil. Sie ist aber wegen der Überbewertung besonders aktiv auf dem EU-Arbeitsmarkt, weil sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit im EU-Binnenmarkt fürchtet.

In der Politik fordern die Rechtsnationalen die neuerliche Abschottung des Schweizer Arbeits- und Gütermarkts als Heilmittel und finden grossen Zuspruch.

Die Abschottung ist Gift und nicht Heilmittel. Über kurz oder lang würde der Schweizer Standort für Industrie und Dienstleistung seine Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt einbüssen, nur die Finanzer würden am Tropf der globalen Finanzströme weiter gedeihen.

Die Vorstellung der Rechtsnationalen, man könne als nationale Lohn- und Preisinsel mitten im Binnenmarkt fröhlich überleben und die Schweizer Wirtschaft organisieren wie den Landwirtschaftssektor, ist dumme Rattenfängerei.

Vernünftiger ist es, die eigentlichen Ursachen anzugehen.

Erste und unilateral umzusetzende Massnahme ist eine Festlegung des Kurses des Schweizer Frankens zum Euro auf einem Level, der den realwirtschaftlichen Verhältnissen zum Umland entspricht. Dann nimmt der Zuwanderungsdruck sofort ab. Die Hauptverantwortung liegt bei der Nationalbank und Bundesrat.

Zweite Massnahme ist eine Dämpfung des Anpassungsdrucks im Rahmen der anstehenden bilateralen Verhandlungen. Statt realitätsfremd im Binnenmarkt Kontingentierung und Inländervorrang zu fordern, ist es klüger, einen längeren Anpassungszeitraum auf die Tagesordnung zu setzen.

Dritte Massnahme ist der Verzicht auf Importmonopole und –kartelle und die Abschaffung der administrativen Hochpreisvorschriften.

23.11.2014

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